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Leib – Bewegung – Bau.
Suche nach der Ganzheit des Lebens.


In diesem wunderschönen Buch fasst Otto Schärli noch einmal und in einer neuen Form seine lebenslange „Suche nach der Ganzheit des Lebens“ zusammen.
In einem Eingangs-Dialog, den anschließenden Kapiteln und immer wieder in kurzen Dialogen mit einem befreundeten jungen Paar entfaltet sich so sein Anliegen noch einmal, seine Suche auf einem Weg, den Gebser „Gänzlichung“ nannte, wohl wissend, dass „Ganzheit“ und die Suche danach zu unserem mentalen Erbteil gehören, also überwunden werden müssen zugunsten der neuen Struktur eines Integralen Bewusstseins. Schärli beginnt mit dem Hinweis darauf, woher er kommt , was er als Kind, als Jugendlicher, als Student erlebt hat in der Familie, in Schule, Militärdienst und Studium – und wie er durch schwere Krankheit in eine Krise geriet, aus der ihn ein religiöses Erlebnis befreite. Diese seine „Initiation“, wie er es nennt, verband ihn erneut und erneuert „mit den Menschen und dem Kosmos“ (S. 29)
Ausführlich schildert er seine Begegnung mit Jean Gebser und dessen Werk, seine eigene Aufnahme dieser Gedanken, deren Realisierung in seinen ersten Bauwerken. Auch sein eigenes Haus in Adligenswil, das „geträumte Haus“, lernen wir so kennen. Es entfaltet sich ein grandioses Panorama dieses Baumeisters Otto Schärli , der später weitere Impulse aus der Begegnung mit Hugo Kükelhaus und vielen anderen Zeitgenossen erhielt. Durch Kükelhaus vermittelt trat der menschliche Leib nun in den Vordergrund, und Schärli zeigt, wie dieser sich in Bauten einbringt, sie formt und gestaltet. Wie man erst sehen kann, wenn man das Buch aufschlägt, hat Schärli den drei Begriffen aus dem Titel einen vierten hinzugefügt, den der Spiritualität – damit eine „Quaternität“ eröffnend, wie C. G. Jung gesagt haben würde, auf den sich Schärli durchaus auch bezieht. Seine eigenen Kirchenbauten, besonders das Kloster, Gästehaus und die Kirche der Dominikanerinnen in Obwalden (S._121 ff.) zeigen, wie er diese Spiritualität versteht und umsetzt – und symbolisch repräsentiert findet im „Meditationsrad“ von Bruder Klaus. Ein eigenes Kapitel widmet Schärli großen Reisen, die er im 60. Lebensjahr unternahm, und die ihn nach Amerika, nach Nepal und Tibet führten.
Es ist hier nicht annähernd möglich, der Fülle gerecht zu werden, welche dieses Buch uns darbringt. Allein die vielen Originalzeichnungen des Verfassers, eingebettet in den Text und verknüpft mit ebenso vielen Fotografien, sind atemberaubend – und schenken einem doch, wenn die Brust sich wieder gehoben hat, eine Frische, die belebt, zum Denken anregt und vieles durchsichtig macht, was heute durch eine verfehlte Esoterik eher verdunkelt wird. „Zuletzt wird alles Licht“ (S. 295), so beschließt Otto Schärli sein Buch, also mit einem Thema, das ihn heute intensiv beschäftigt. Das letzte Bild zeigt ihn mit seinem Enkel auf der alten Rigibahn, wie er hier gleichsam ins Licht hinauffährt – mit einem technischen Vehikel: Das nennt der Rezensent mit Respekt, Liebe und Dank an den Verfasser eine gelungene Integration!

Peter Gottwald


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